von links nach rechts: Claudius Littbarski, Bob Culverhouse, Jon Marks, Roger Radatz, Raimer Lösch, Peter Müller
Wolfgang Rügner und Freddie Kohlman
von links nach rechts: Peter Müller, Jon Marks, Raimer Lösch, Roger Radatz, Freddie John, Bob Culverhouse
Peter Müller (1946-2007)
gilt den Freunden des New Orleans Jazz bis heute als der herausragende Solist auf seinen Instrumenten und einer der kompetentesten Interpreten dieser Musik weltweit. Seine Lehrjahre verbrachte er in New Orleans, wo er noch mit George Lewis und Capt’n John Handy musizierte. Schallplattenaufnahmen und Tourneen mit den größten New Orleans Bands- und Shows (A Night in New Orleans, Hot Jazz Festival on Sea, Woody Allen Band etc.) blieben nicht aus.
Begegnungen mit Jazzgrößen wie Barney Bigard, Benny Carter, Trummy Young, Cozy Cole, um nur einige zu nennen, sind Höhepunkte seiner Karriere. Seit 1968 leitet er die White Eagle Jazz Band Berlin, die er zum Mittelpunkt der New Orleans Jazz Szene in Deutschland machte.
Peter Müller starb am 18. April 2007.
Ich werde ihn niemals vergessen.
Roger Radatz
1946 geboren, erlernte er den Beruf eines Speditionskaufmanns, jedoch vom Jazzbazillus heftigst infiziert, gab er diesen Job unmittelbar nach Ende der Lehrzeit auf, um sich dem Klarinettenspiel zu widmen. Nur eine Stunde lang musste ihm ein Musiklehrer zeigen, wie man das Instrument hält und anbläst, danach war Peter Müller ein Autodidakt reinsten Wassers. Ein in seinen Kindertagen absolvierter Klavierunterricht erwies sich dabei als hilfreich. In den folgenden Jahren bis zu seinem letzten Tag entfaltete Müller eine derart reiche Vita als Musiker, von der hier nur wenige Stationen skizziert werden können. Erstes Aufsehen erregte er mit der von ihm geleiteten "White Eagle New Orleans Jazz Band", was darauf verwies, welcher Stilistik er sich verschrieben hatte: Vom schwarzen Jazz der Crescent City fasziniert, wurde anfangs der Klarinettist George Lewis sein Idol.
So klangen die "White Eagles" auch anders als die meisten der europäischen Trad-Bands. Ihr Ruf erreichte denn auch die USA. Eine Einladung zum "Jazz & Heritage Festival" nach New Orleans erfolgte 1974 - ein Traum Peter Müllers hatte sich erfüllt. Langjährige Freundschaften mit allen profilierten Musikern dort waren das Resultat dieses Aufenthalts, und selbstverständlich spielte Müller auch zusammen mit allen Größen,seines Stils in der Stadt seiner Träume. Denen verschaffte er wiederum Auftritte mit den "White Eagles" in der Bundesrepublik und in anderen europäischen Ländern auf oft wochenlangen Tourneen. Mittlerweile Vollprofi, war Müller auch bei allen Events mit New Orleans-Touch vertreten. Seinen Ruf festigte er u.a. bei Auftritten mit z.B. Barney Bigard und Benny Carter, was bedeutete, dass er sein Klarinettenspiel in die Swing-orientierte Stilistik erweiterte. Noch in New Orleans machte Müller die Bekanntschaft mit dem dort als Pensionär lebenden R & B-Saxophonisten Capt. John Handy. Beeindruckt von dessen Blues-getränkter Spielweise stand für Müller fest: Ein Altsaxophon muss her, das er zu seinem Zweitinstrument machte.
Intensiv kniete er sich in die R & B-Ausdrucksweise hinein, wobei ihm sein vordem entwickeltes perfektes Blues-Feeling entgegen kam und ihn recht schnell zu einem unverwechselbaren eigenen Sound finden ließ. Damit und mit seinen Interpretationen von Stücken Louis Jordans und anderen R & B-Musikern gelang Müller eine Einmaligkeit in Deutschlands, und man möchte auch behaupten Europas Jazzlandschaft.
Die "White Eagles" hatten sich inzwischen aufgelöst, ihre Musiker gingen eigene Wege, auch war Müller des aufreibenden Managements müde geworden - er wurde zum "bodenständigen" Berliner Jazzer mit Betätigung in verschiedenen lokalen Formationen. So war es fast logisch, dass sein Weg in die Band des Berliner Schlagzeugers Roger Radatz "Roger & the Evolution" führte.
Hier konnte er sein weiterhin mit New Orleans-Anklängen geschmücktes Klarinettenspiel einsetzen, wie auch auf dem Altsaxophon die R & B-Strecke bedienen, zumal sich die Band auch an der Musik eines Louis Prima orientiert. In diesem nunmehr sechsköpfigen Ensemble wurde Peter Müller sofort zum willkommenen und mit-tonangebenden Mitstreiter.
Weiterhin genannt werden soll seine Mitwirkung neben Roger Radatz und Niels Unbehagen am Piano im "Harlem Swing Trio" und im "Roger Radatz Trio" mit Harold John Abstein als Pianist.
Dieses nur Bruchstücke im umtriebigen Musikerleben Peter Müllers, denn er spielte fast, manchmal auch mehrmals, täglich, hatte sich ein unwahrscheinlich umfangreiches Repertoire erarbeitet und war unermüdlich mit der Vervollkommnung seiner Technik beschäftigt.
Sein R & B-Repertoire beförderte außerdem seine nicht unbedeutenden vokalistischen Fähigkeiten. Zuhause saß Müller häufig am Piano, um sich besonders die Ragtime-Stücke Scott Joplins und Jelly Roll Mortons anzueignen; man entdeckte ihn gelegentlich als Solopianist in Hotel-Lounges. Nun musste Peter Müller seine Instrumente für immer aus der Hand geben. Seine unvergleichliche Persönlichkeit als stets sich total mit "body and soul" einbringender Erz-Musikant war zudem geprägt von Humor, Unkompliziertheit, Kollegialität, Pünktlichkeit und Bescheidenheit. Gerade letztere, sowie sein in keiner Weise Publicity-süchtiger Charakter ohne jede Neigung zu permanenter Selbstdarstellung sind leider auch der Grund, weshalb Peter Müller in seinen langen Jahren als Top-Musiker kaum über den Berliner Raum hinaus bekannt wurde, ganz zu schweigen davon, dass er im der Berliner Tages- und sonstigen Presse keine Zeile wert war. Sein Tod hinterlässt in der swingenden Berliner Jazzszene und Jazzgemeinde eine schmerzliche Lücke, jedoch: The show must go on - und dieses ganz gewiss im Geist und Sinn Peter Müllers.
Gerhard Hopfe
Jon Marks und Raimer Lösch haben sich 1970 in New Orleans kennen gelernt. Zwischen den beiden entstand sofort eine Musikfreundschaft. Sie waren sich einig, sie möchten zusammenspielen. Raimer erzählte Jon von Peter Müller und von der White Eagle New Orleans Jazz Band in Berlin. Jon kannte die Band von Gründungsmitglied Frank Naundorf, der von den White Eagles zu Barry Martyn nach England gewechselt war.1972, als Barry Martyn seine Band auflöste und nach New Orleans umsiedelte, kam Jon nach Deutschland, und seine erste Tournee mit den White Eagles begann. In den folgenden Jahren spielte er häufig auf Tourneen; später wurde er zum festen Bandmitglied und zog nach Berlin.
Er war eine ganz wichtige Verstärkung für uns, weil er nicht nur jahrelange Erfahrung als Profi mit Barry und Keith Smith hatte, sondern auch in New Orleans und sonstwo in den Staaten mit den ganz Großen gespielt hatte. Er kannte sie ja nicht nur von Schallplatten. So übte Jon einen großen Einfluss auf unsere Musik aus. Er war immer sehr hilfreich und hat beispielsweise unserem Roger technische Tipps am Schlagzeug weitergegeben, die Jon bei Joe Watkins beobachtet hatte. Roger sagt, er hat viel von ihm gelernt. Jon hat den "White Eagle Sound" entscheidend mitgeprägt und zum Erfolg der Band beigetragen. Überhaupt war Musik für Jon wahnsinnig wichtig. Aufgrund seiner Erfahrung meinte er genau zu wissen, wie die Musik zu klingen hatte. "Ihr braucht mir nur zu folgen," sagte er. Da ihm das manchmal ein bisschen zu langsam ging, verlief alles nicht immer so reibungslos. Aber Tatsache ist, dass er immer das Beste für die Musik wollte.
Inbesondere bei den Tourneen mit Musikern aus New Orleans, die Peter Müller organisierte, gab uns Jon musikalische Sicherheit. Dank seines Beitrags hatten unsere Tourneegäste in den 70er Jahren – Louis Nelson, Kid Sheik, Alton Purnell, Sam Lee und Freddie Kohlman – wohl auch ein bisschen Spass dran.
Das ist alles eine Weile her. Aber Jon hat in den Zwischenjahren als Gast mit vielen anderen Bands gespielt und auf ähnliche Weise sein Wissen weitergegeben – nicht nur überall in Europa, sondern auch in Japan bei den New Orleans Rascals, in Australien und den USA. Er hat einen Riesenbeitrag zur Entwicklung von New-Orleans-Musik außerhalb von New Orleans geleistet. Wie Geoff Bull sagt: "Seine Abwesenheit hinterlässt ein Loch in der Jazzfamilie, das nie gefüllt werden wird."